New York während Corona: Zwei deutsche Au Pairs berichten

Als im März 2020 die Corona-Pandemie begann, war dies für die meisten Menschen ein schwerer Einschnitt in ihren Alltag. Doch wie ist es für Menschen gewesen, die zu diesem Zeitpunkt gar nicht in Deutschland waren, sondern an einem Ort, an dem die Pandemie zunächst besonders schlimm gewesen ist? Um dies herauszufinden, habe ich mit zwei jungen Frauen, Lilly und Laura, gesprochen. Zum Ausbruch der Pandemie befanden sich die beiden gerade in ihrem fünften beziehungsweise sechsten Monat als Au Pair bei ihren Gastfamilien auf Long Island, New York.

Lilly und Laura auf dem Times Square.

Wie habt ihr die Anfänge der Pandemie erlebt?

Lilly: Für mich kam die Pandemie sehr überraschend und anfangs hab ich das auch alles nicht wirklich ernst genommen. Es gab ja noch viele Gerüchte, dass Corona nicht so schlimm, sondern nur wie eine Grippe sei. Als es aber ernster wurde, war ich schon ein bisschen verunsichert und natürlich nicht so glücklich über die ganzen Entwicklungen. Ich habe mich jedoch sehr gut von meiner Gastfamilie und meinen Freundinnen unterstützt gefühlt. Letztendlich fand ich es auch gar nicht so schlimm, weil es uns an nichts gefehlt hat. Lediglich die Ungewissheit war ein bisschen irritierend.

Laura: Genau, am Anfang haben wir immer noch Witze darüber gemacht, dass Corona nur wie die Grippe sei und dann kam alles so plötzlich. Als Trump im Fernsehen das 30-tägige Einreiseverbot verkündet hat, da wurde mir bewusst, dass die Situation wirklich ernst ist. Am Anfang hat es mich mental sehr belastet. Vieles, z. B. das Musical, das wir besuchen wollten, wurde abgesagt. Doch irgendwann war es normal und man hatte sich daran gewöhnt.

Hattet ihr Angst während dieser schwierigen Zeit in New York zu sein?

Lilly: Ich hatte keine Angst, weil wir ja nicht im Hotspot Manhattan waren, sondern ein bisschen außerhalb. Außerdem habe ich mich bei meiner Gastfamilie sehr wohl gefühlt, weil wir aufgepasst haben, dass das Virus uns nicht erreicht. Als es dann aber in New York City so intensiv geworden ist, weil das Gesundheitssystem überlastet war und so viele Leute gestorben sind, habe ich auf jeden Fall mehr Respekt vor der Situation gehabt. Plötzlich lag eine ganz andere Stimmung in der Luft. Ich würde es nicht als Angst beschreiben, sondern vielleicht eher als eine leichte Unruhe. 

Laura: Ich hatte am Anfang ein bisschen Angst, mich zu infizieren, jedoch hatte ich eher Angst um meine Familie zuhause und vor allem meine Großeltern und nicht so sehr um mich selbst. Außerdem habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was passieren würde, wenn ich das Corona-Virus bekomme und es dann meiner Gastfamilie sagen müsste. Wie würden sie reagieren und was müsste ich machen?

Wie hat sich euer Arbeitsalltag verändert und welche Einschränkungen hattet ihr?

Lilly: Der größte Unterschied war, dass die Schulen geschlossen wurden, weshalb ich generell einfach sehr viel von zuhause gearbeitet habe. Relativ schnell ging dann aber auch das Homeschooling los. Ich musste nicht mehr Essen für die Kinder vorbereiten und sie zum Schulbus bringen, sondern quasi 24/7 am Start sein. Ich habe ihnen mit ihren Schulaufgaben geholfen und weil ihre ganzen außerschulischen Aktivitäten ausgefallen sind, habe ich sehr viel improvisiert. Ich bin mit den Kindern raus in den Park gegangen und habe einfach versucht sie zu beschäftigen, damit es für sie im Lockdown nicht so langweilig wird.

Meine persönlichen Einschränkungen waren hauptsächlich, dass ich nicht nach Manhattan fahren oder meine Freundinnen sehen konnte. Außerdem auch, keinen persönlichen Kontakt zu anderen Personen zu haben, außer zu meiner Gastfamilie. Dass man nicht mehr in die Läden konnte, beim Einkaufen eine Maske und Handschuhe tragen musste, Abstand halten sollte und einfach sehr sozial isoliert war, war schon nervig.

Laura: Die Kinder, auf die ich aufgepasst habe, hatten zum Glück nur einen Tag keine Schule und direkt am nächsten Tag fand der Unterricht über Zoom statt. Am Anfang hatte die Jüngste nur sehr kurz Unterricht. Dadurch musste ich viel mehr arbeiten und konnte vormittags nichts mehr unternehmen, so wie ich und meine Freundinnen es vorher gemacht haben. Später haben wir aber immer abends etwas unternommen, wie zum Beispiel im Park den Sonnenuntergang angucken. Das war dann auch schön. Außerdem habe ich mit meiner Gastfamilie im Lockdown immer Filme geguckt, gefühlt jeden Film auf Disney+. Es war zwar ein bisschen anstrengend, dass immer alle zuhause waren, vor allem, weil meine Gasteltern und die Kinder immer sehr laut waren, aber es hatte auch positive Effekte. Vor Corona haben wir zum Beispiel nie alle zusammen gegessen. 

Wie sind eure Gastfamilien mit der Situation umgegangen?

Laura: Meine Gastfamilie war am Anfang sehr streng. Ich durfte zum Beispiel, obwohl die Situation im Sommer besser wurde, nicht mit meinen Freundinnen in einem Auto fahren und wenn wir gepicknickt haben, sollten wir uns kein Essen teilen. Eigentlich waren sie sich generell unsicher, ob ich mich mit jemandem treffen oder in den Supermarkt gehen sollte. Meine Gastmutter war anfangs immer einkaufen und mein Gastvater wollte, dass die Einkäufe, Türgriffe und alles, was sie angefasst hat, danach desinfiziert werden. Irgendwann wurden sie aber auch entspannter und ich durfte mich wieder mit meinen Freundinnen treffen und in die Stadt fahren.

Lilly: Meine Gastfamilie war sehr entspannt. Meine Gastmutter hat mir nie direkt etwas vorgeschrieben oder verboten, sie hat immer nur Empfehlungen ausgesprochen, was sie an meiner Stelle tun würde. Sie hat mich eher dazu ermutigt, rauszugehen und hatte auch nie ein Problem damit, dass ich meine Freundinnen sehe oder später dann wieder in die Stadt gegangen bin. Natürlich war sie auch ein wenig besorgt, weil sie die Verantwortung für ihre Kinder und irgendwo auch für mich hat, aber eigentlich hat mich das nicht wirklich eingeschränkt. Wir waren meistens einer Meinung. Um das Einkaufen hatte sie sich auch nicht so einen Kopf gemacht und so war ich auch oft für die Familie einkaufen.

Waren eure Familien und Freunde in Deutschland besorgt?

Lilly: Meine Familie war eigentlich nicht besorgt, jedenfalls nicht, dass ich krank werde oder dass es mir schlecht geht. Sie waren eher wegen der generellen Situation besorgt, denn das war natürlich nicht, was ich mir vorgestellt hatte. Meine Eltern waren zwar ein bisschen unsicher, hatten jedoch kein Problem damit, dass ich dort war.  Sie wussten, dass ich in guten Händen bin. Als es dann in New York City so schlimm wurde, habe ich gemerkt, dass sich mehr Leute gemeldet haben und wissen wollten, ob alles okay ist. 

Laura: Ja, ich würde schon sagen, dass meine Eltern ein bisschen besorgt waren. Ich glaube, dass sie nicht sehr stark besorgt waren, weil es in Deutschland ja am Anfang ein bisschen entspannter war und sie natürlich nicht genau wussten, wie es in New York ist. Wenn ich mit Freunden geschrieben habe, dann haben sie auch immer gefragt, wie es aktuell in New York aussieht.

Habt ihr über eine Heimreise nachgedacht?

Lilly: Die Überlegung nach Hause zu gehen, gab es bei mir eigentlich nicht, zumindest nicht wegen Corona, sondern eher, wenn meine Freundinnen auch gegangen wären.

Laura: Am Anfang schon. Da hab ich gesagt: „Wenn es jetzt so weitergeht, dann gehe ich nach Hause.“ Corona wurde zwar nicht unbedingt besser, aber als wir dann hinterher auch wieder mehr machen konnten, hab ich gar nicht mehr darüber nachgedacht nach Hause zu fahren. 

Hat eure Familie mal gefragt, ob ihr zurückkommen wollt?

Lilly: Ja, aber eher wegen einer Gruppenbewegung.  Es gab sehr viele, die nach Hause geflogen sind und so entstand natürlich schon eine gewisse Unsicherheit. Wir kennen auch selbst ein paar Au Pairs, die nach Hause gegangen sind. Entweder wegen Corona oder weil es mit der Gastfamilie in Corona plötzlich nicht mehr gepasst hat. Meine Eltern haben mich zwar gefragt, aber mir immer die Entscheidung überlassen und mich auch nicht in eine Richtung gedrängt. Es war mehr ein Nachfragen, ob alles okay ist und ob ich denn die Möglichkeit erwägen würde nach Hause zu gehen. 

Laura: Bei mir war es auch so, dass meine Eltern am Anfang nachgefragt haben. Da dachte ich auch noch, dass ich gehe, wenn es nicht besser wird. Sie hätten es verstanden, wenn ich gegangen wäre, aber auch wenn ich bleibe.

Was hat sich in New York durch Corona verändert? 

Lilly: Wir hatten das Glück, New York vor der Pandemie wenigstens ein paar Monate zu erleben und es war unfassbar schön. Immer war etwas los, überall waren Menschen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Also wirklich die Stadt, die niemals schläft. Touristenattraktionen, der Broadway, leckeres Essen, es gab einfach sehr viele Dinge, die man machen konnte und dann kam Corona…

Den Corona-Bestimmungen zufolge gab es keine Touristen mehr und sehr viele Menschen sind aus der Stadt geflüchtet und auf Zeit oder dauerhaft weggezogen. Meine Gastmutter hat mir erzählt, dass auch viele ihrer Freundinnen sich ein Haus außerhalb New Yorks gekauft haben und dorthin gezogen sind. Somit war die Stadt natürlich ausgestorben und man hat viele negative Seiten gesehen. Es gab sehr viel Müll, viele Obdachlose und Menschen, die ihr ganzes Hab und Gut verloren haben. Die ersten Male in der Stadt war es ein ganz anderes Gefühl. Bei den ganzen Touristenattraktionen war nichts mehr los. Als wir sie später besuchten, war das natürlich ein positiver Effekt. Andererseits fehlte dann auch ein bisschen die Magie dahinter, wenn beispielsweise der Times Square ausgestorben ist. Leider gab es auch die vielen Schicksale, dass Leute ihre Restaurants schließen mussten und die Läden allgemein geschlossen wurden. Auch die gewalttätigen Auseinandersetzungen und Plünderungen im Juni haben sich nochmal negativ auf die gesamte Situation ausgewirkt.

Trotzdem finde ich es aber sehr cool, wie kreativ die Leute geworden sind und zum Beispiel auf ihren Dächern angefangen haben Sport zu machen.  

Laura: Da kann ich eigentlich nicht mehr viel ergänzen, aber dadurch, dass der Broadway natürlich auch zu hatte, war der Times Square wirklich ganz anders. Dort waren plötzlich ganz andere Menschen und es war komisch und auch ein bisschen unangenehm, dort lang zu gehen. Durch die Plünderungen waren überall Bretter vor den Läden, was die ganze Situation irgendwie noch bedrückender gemacht hat. Positiv war aber, dass sich in New York die Außengastronomie weiterentwickelt hat, denn vor der Pandemie hatten viele Restaurants draußen keine Sitzplätze.

New York vor und während Corona.

Hattet ihr das Gefühl, dass sich die Leute an die Vorschriften gehalten haben, oder eher nicht ?

Lilly: Ich glaub am Anfang definitiv mehr, weil die Leute noch Angst hatten und nicht wussten, was passiert. Zwischenzeitlich ist es, glaube ich, ein bisschen abgeflacht. Nachdem sie gemerkt haben, dass die Masken helfen, hat sich wirklich jeder daran gehalten. Als wir dann auch wieder in New York unterwegs waren, da war es komplett normal, dass jeder immer und überall eine Maske getragen hat. Es ist einfach eine Gewöhnungssache.

Laura: Mir kam es auch so vor, dass sich die meisten Menschen an die Maskenregelung gehalten haben, vor allem, weil man die Maske in New York fast überall tragen musste. Zurück in Deutschland hab ich das anfangs auch noch gemacht. 

Wie glaubt ihr wird es für die Stadt weitergehen? 

Lilly: Ich glaube die Stadt kehrt auf jeden Fall wieder dahin zurück, wo sie mal war. Die New Yorker sind hart im Nehmen, die rappeln sich wieder auf, machen weiter und eröffnen einfach ein neues Restaurant. Es wird aber wahrscheinlich noch dauern, weil sich einiges verändert hat. Die Gastronomie, die ganze Entertainment-Branche und die Tourismus-Branche werden sich meiner Meinung nach gut erholen. Dafür müssten dann natürlich zuerst einmal die ganzen Einreiseverbote und Quarantäneregelungen aufgehoben werden. Ich hoffe, dass das Gesundheitssystem ein bisschen verbessert wird, damit es im Falle einer weiteren Katastrophe besser funktioniert. 

Laura: Ich denke auch, denn vor allem Leute, die noch nie in New York waren, werden sich durch die Folgen der Corona-Pandemie nicht beeinflussen lassen. Sie wissen ja nicht, wie es vorher war, beziehungsweise was sich verändert hat. Die Menschen, die noch dort wohnen, kennen ihre Stadt und werden auch dazu beitragen, dass sie wieder zur Normalität zurückkehren kann. Ich glaube auch, dass die Leute, die ihre Stadt wirklich lieben und weggezogen sind, vielleicht auch wieder zurückkommen werden, wenn sie sehen, dass es besser wird.

Was hattet ihr für Pläne, die ihr nicht verwirklichen konntet und was habt ihr stattdessen gemacht?

Lilly: Wir hatten Tickets für ein paar Konzerte auf die wir nicht gehen konnten. Außerdem wollten wir noch viele der Museen, wie zum Beispiel das Museum of Natural History oder das Guggenheim Museum besuchen. Wir hatten aber ziemliches Glück, dass wir auf die ganzen Observatorien, beispielsweise das Empire State Building, konnten. Anstatt in Restaurants zu gehen, waren wir viel im Park und haben dort Takeout-Essen gegessen und sind sehr viel durch New York gelaufen. Außerdem haben wir uns bestimmt eine Millionen Sonnenuntergänge angeguckt. 

Laura: Ich wollte nach Coney Island und wir hatten noch Karten für das Broadway Musical „Frozen“, was direkt am Anfang abgesagt wurde. Ich würde auch sagen, dass wir viel im Park waren, auch im Central Park und dass wir sehr viel gelaufen sind, um die U-Bahn zu vermeiden.

Sonnenuntergänge auf Long Island, New York

Was muss man auf jeden Fall machen, wenn man in New York ist?

Laura: Man muss auf jeden Fall mal in den Central Park, wobei die Frage echt schwierig ist. Außerdem muss man auch mit der Staten Island Ferry fahren und, wenn man über Weihnachten da ist, definitiv den Weihnachtsbaum am Rockefeller angucken und shoppen gehen.

Lilly: Da stimme ich dir zu, und ich würde auch noch ein Observatorium empfehlen. Ich fand sie alle toll, würde aber wahrscheinlich zu „The Edge“ tendieren. U-Bahn fahren fand ich auch ziemlich cool, weil man sehr interessanten Menschen begegnet und der Moment toll ist, wenn man aus der Station rausläuft und in New York City steht.

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